xylograph

Wir lieben historische Landkarten, Stadtveduten und die alten Stiche botanischer Gewächse. Feine Grafiken auf edlem Papier und Pergament.

Früher waren die Karten alltägliche Navigationshinweise, Arbeitsmittel für Seefahrer. Maßstäbliche Abbilder der Welt, übersäht mit Ländernamen und Vermessungslinien – nur lesbar für den Fachmann. Unten rechts die Windrose zur Orientierung durfte nicht fehlen. Stadtpläne wurden mit touristischen Attraktionen dekoriert. Reich illustriert durch künstlerische Interpretationen eines Giovanni Battista Piranesi und Giuseppe Vasi. Auftraggeber? Die Kirche, Klöster, Bibliotheken sowie der Staat und seine Könige.

Die Welt war noch eine Scheibe, die geologische Plattentektonik unentdeckt. Der Globus erschien als zusammengesetztes Puzzle aus weißen Flächen, unbekanntem Terrain und fantasievollen Ländereien in frei wählbaren Formaten. Unser Planet bestand zu 80 Prozent aus der Farbe Blau. Ein Ozean besiedelt von Ungeheuern, Monstern und gefährlichen Klippen. Die Landkarte von Heinrich Bünting „The Whole World in a Cloverleaf“ aus dem Jahre 1582, zeigt unsere Erde in Form eines dreiblättrigen Kleeblattes: Europa, Asien und Afrika angeordnet um das Zentrum – Jerusalem; Amerika unten links nur ein unbedeutender Zipfel. Die Art wie das Meer dargestellt wird, zeigt die Kraft und die Liebe des Holzschneiders. Starke Linien mussten es sein, die Tiefe, Ruhe und Gewalt zugleich fordern.

So wie die Skulptur „Wilder Mann“ Köln, um 1390 – 1400, die im Kölner Museum Schnütgen zu sehen ist. Eine Figur aus geschwungenen Locken von Kopf bis Fuß, in Eichenholz geschnitzt. Die Hand des Schnitzers – ihre unkontrollierte Bewegung scheint den gesamten Baumstamm zu umhüllen. Der Holzschneider übersetzt unsere Geschichten und Bilder in widerspenstiges Material. Eingeschrieben in Holzstöcke, eingestochen, feingeschliffen.

Miniaturen mit Lupe und spitzem Werkzeug, einem Nadelstich des Tätowierers gleich, unendlich langsam vertieft.
Dann der Abdruck. Das Pressen der Welt auf ein Stück Papier. Gedruckt auf geschöpftem Bütten in dunkelstem Schwarz, der Geruch der Druckerschwärze hängt noch in der Nase.

Einbände waren aus edelstem Leder, das aus der ganzen Welt zusammen kam. Das Ganze verbunden durch Nadel und Zwirn. Mit Gold verziert im Kerzenschein von Mönchen. Veredelt durch einen Edelstein im Wappen.

In dieser kargen Reduktion galt es, die Überlieferung zu bewahren. Vervielfältigung war langsam, Bewegungen dinosaurierhaft, antischnell. Glaubt man der Landkarte des Körpers, dem Homunkulus, der die Sensibilität von Körperteilen in Proportionen darstellt, fußt alles auf der alltäglichen Beziehung von Hand und Hirn. Eine individuelle Verdrahtung, die ihre eigene Geschwindigkeit aufbaut.

Wir müssen unser modernes Zeitkorsett ablegen. Aus dem Hamsterrad aussteigen. Das Rennen beenden! Ein Haus baut man nicht in einem Jahr, geschweige denn eine ganze Stadt. Das Leben ist nie fertig. Es lebt. Man muss die langsame Welt des Erbsenzählers lieben lernen; wir sollten fortan unendlich Zeit für das Malen eines Gemäldes haben.

Und sich die Freiheit nehmen, einen Roman nie zu Ende zu schreiben.

Professor Christian Heuchel und Van Heuchel I Köln, im März 2021

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