Was bedeutet Verschwendung? Einsatz. Aktivierung. Verfeinerung. Experimentier- und Risikofreudigkeit. Es gab Zeiten, da glich die Verschwendung als intellektueller Ansatz. Sich selbst als arm darzustellen, galt in vielen Gesellschaften als edles Motiv. Nicht aus finanzieller Unmöglichkeit heraus, sondern im Umgang mit Geist und Seele:
Brautvater und Brautmutter ruinieren sich für die Hochzeit; Maler, Architekten und Kreative arbeiten bis zum Umfallen; Rennfahrer und Leistungssportler gehen über die Grenzen ihrer Kräfte; Staatsmänner lassen sich Symbole bauen, die Generationen überdauern; Päpste und Könige bauen sich Dome und Schlösser und schmücken sie reich aus, mit besten Materialien, durch beste Künstler. Bloß Milliardäre tun sich schwer, verschwenderisch zu sein. Sie könnten ohne Weiteres ganze Kunstakademien kaufen und wären der Star der Kreativen.
Das Zurschaustellen von Verschwendung ist verschwunden! Der öffentliche Raum unterliegt dem Sparzwang, Häuserbau dem Kostendruck und die Kirche reduziert ihre Symbolkraft zu Gunsten der Sparrate. Und die Architektur? Sie gilt per se als Verschwendung, was wiederum an der Grundeinstellung liegt: Früher begriff man Architektur und Bauten als Repräsentant des Erbauers, der sich und seine Belegschaft stolz vor dem Gebäude ablichten ließ, das etwas hermachen durfte. Gerne zeigte man Verantwortung und Kapital und veredelte es in Beton.
Heute dagegen sind aus Bauten Produkte geworden, die mehrfach gehandelt werden, bevor ein Fond sie in Besitz nimmt. Billig darf es sein, gerne mit Rendite – das sind die geltenden Bewertungsmaßstäbe. Verschwendung darf sich offiziell niemand leisten. Bauen ist zu billig geworden, die Materialien von irgendwoher schlecht verarbeitet. Von Reichtum keine Spur mehr. Wir sind im krassen Gegenteil von Verschwendung angekommen. Gerade heute wäre es wichtig, wieder Werte ins Bewusstsein zu rücken!
Verschwendung ist im Endeffekt experimentell. Wo sind also die Bauherren, die den Mut zur Verschwendung in sich tragen? Wo bleibt die Risikofreude? Wo sind die Charaktertypen, die Spieler, die Hasardeure und die Süchtigen? Die Gesellschaft braucht Verschwender, damit sie leben kann. Wo sind die bombastischen Hochzeiten? Kulturinitiativen? Kulturprojekte? Verschwendung muss wieder in der Architektur und im Alltag Einzug halten.
Denn die Verschwendung ist die Basis von Kultur, Luxus und Qualität.
Christian Heuchel und Van Heuchel mit Birgit Franke I Köln, im November 2020