Natur

Reicht der heutige Umgang mit der Stadtbegrünung, um unseren Planeten zu retten? Manch aktuelle bauliche Begrünungsversuche erscheinen kurz gedacht. Unsere Häuser mutieren zu großen Blumentöpfen. Windräder verschandeln unsere Landschaften. Alles im Namen der Ökologie.

Die Naturerfahrung wird verniedlicht. Ein Blick über den Tellerrand sei erlaubt, denn Querdenker finden wir hier in der Kunst. Unsere Wahrnehmung der Natur wird durch das Auge des Künstlers bereichert. Naturwahrnehmung, Naturempfindung, Naturinterpretation – sie lassen Bilder entstehen, die uns verwirren und die Macht der Natur verstehen lassen. Und dies auf ganz unterschiedliche Art und Weise:

Henri Rousseau „Traum der Yadwigha“, 1910 – Ein Urwald in mehr als fünfzig Grüntönen. In diesem Kunstwerk finden Naivität und Einfachheit, Nacktheit und Naturverbundenheit Ausdruck.

Vincent van Gogh „Weizenfeld mit Sonnenaufgang“, 1889 – Malerei im Rausch von Pixeln, Farben und Bewegung. Die Landschaft ist Träger der jeweiligen emotionalen Gestimmtheit des Künstlers. Die Farbe ist Teil der Welt.

Matthew Barney „River of Fundament“, 2006 bis 2014 – In Sequenzen der epochalen Filmoper steht der Betrachter vor einem Stauwerk. Berauscht von der Naturgewalt des Wassers.

Walter De Maria “Lightning field New Mexico”, 1977 – Land Art mit Blitz: 400 Edelstahlstäbe in der Einsamkeit, die diese Elementarkraft begierig aufsaugen. Oben angespitzt gleichen sie das unregelmäßige Terrain dieses mystischen Ortes aus.

Lars von Trier „Melancholia“, 2011 – Ein vagabundierender Planet kollidiert mit der Erde, die im Flammenmeer untergeht. Das Wunder der Erleuchtung im Endzeitfilm. Natur ist überall. In jeder Faser.

James Turrell „Roden Crater“, 1974 – Der Land Art-Künstler installiert ein gewaltiges Wahrnehmungskunstobjekt. Im Vulkanbauch fräst er ein Netz von Gängen und Zimmern. Durch die Öffnungen dringt das Licht einzelner Himmelskörper ins Innere des Kraters.

Michael Heizer „Levitated Mass“, 2012 – Gigantischer Meteoriteneinschlag. Elf Nächte brauchte es, um den 340-Tonner aus der Natur auf einem Lastwagen in Schrittgeschwindigkeit 100 Kilometer weit zu transportieren. Im Eingangsbereich des Los Angeles County Museum of Art wurde dieser Monolith über den Köpfen der Besucher abgelegt.

Pierre Huyghe “Untitled (Human Mask)”, 2014 – In diesem Werk wird der Unterschied zwischen Fiktion und Realität ausgelöscht, während die Erfahrung der Welt aufgebaut wird. Es geht um die Künstlichkeit des neuen Menschen. Die Verschmelzung von Mensch, Tier und Natur.

Paul und Damon McCarthy „Caribbean Pirates”, 2001 – Die Gesetzlosigkeit der Piraterie steht im Mittelpunkt des ‚Sittengemäldes‘ lebensgroßer Skulpturen. Die Parabel auf ‚Natur und Mensch‘ hinterfragt die Art und Weise, wie Körper, Sex und Gewalt mit Konsum verstrickt sind. Das Abbild des neuen Menschen?

Der Künstler visualisiert unsere aktuelle Vorstellung von Natur. Der Baumeister entwickelt Städte für ein Menschenbild, das durch Anpassung an die Natur geprägt ist. Analog: Wie würde sich die Stadt durch den Künstler verändern? Wie sähe eine von van Gogh inspirierte Natur aus?

Welche Bedürfnisse an die Natur hat das neue Menschenbild?

Professor Christian Heuchel und Van Heuchel mit Birgit Franke I Köln, im Juli 2021

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