Dinge

Die Dinge im Alltag sind Helferlein. Kleine Rädchen, die die Welt zusammenhalten, so wie es der Philosoph Martin Heidegger in seiner Auseinandersetzung mit Kants Lehre von den transzendentalen Grundsätzen in „Die Frage nach dem Ding“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts möglicherweise gesehen hat.

Und wehe, es fällt etwas aus. Was, wenn die Schraube locker oder zu viel Salz in der Suppe ist? Wenn das Auto nicht fertiggestellt werden kann, weil ein kleines Ding fehlt? Oder dem Parfum noch die minimale Note, dem Haarschnitt der letzte Pfiff oder dem Lied die letzte Strophe?

In der Architektur wird es noch deutlicher: Hier werden seit Jahrhunderten Formteile wie Balkone, Gitter und Bauschmuck erfunden und katalogisiert. Ein Vokabular, das sich wie kein anderes auf die Hand verlassen muss. Auf die des Tischlers und des Steinmetzes beispielsweise, die stets das gleiche machen, in unendlichen Variationen. Ihre Hände beschränken ihr Formenrepertoire.

In den Dingen schlummert das Wissen. Unsere Kultur. Um dieses Fundament zu legen, dauerte es Generationen. Es sind berührbare Formen, die als geistige Gussformen entstanden, immer wieder ausgegossen werden, sich über Jahrzehnte abschleifen und dadurch immer einfacher werden. Der Baumeister bedient sich dieser Tradition. Er sollte die kleinen Dinge kennen und verstehen. Er benutzt sie, nimmt sie zur Hand, fügt sie wie ein Puzzle zusammen.

Wenden wir den Blick auf Europa und gehen dort den Dingen auf den Grund. Hier finden wir unterschiedliche Regionen und Traditionen, die als Synonym für die Dinge bester Qualität stehen – und zwar in Hülle und Fülle.

Das Land der Stoffweber und des Lichts: Italien. Ziegel kommen aus Frankreich und Spanien, Holz aus Skandinavien. Niemand kann besser mit Beton umgehen wie die Schweizer. Glaskunst kommt aus Murano. Deutschland steht für Stahl, Glas und Naturstein aus Brüchen. Marmor aus Italien (Carrara) und Spanien. Craftsmenship aus England. Fliesen kommen aus Italien und Spanien und und und. So bauen wir aus den Dingen unser Haus.

Und heute?

Genormte Pressteile, internationale Produktionen – maschinell hergestellt, online bestellt und überall hingekarrt. Hauptsache günstig. Wir glauben, dass die computergesteuerte Maschine die Handwerkskunst mit seiner Tradition und seinem Selbstverständnis ersetzen kann?!

Aber – ganz so wie im Leben selbst – geht es bei den Dingen um das Echte, das Wahre. Um Authentizität! Es geht um die Tradition und Qualität des Ursprungs. Dessen sollten wir uns besinnen! Wir müssen die Hindernisse und Möglichkeiten des Materials sehen, begreifen und daraus unsere Dinge bauen. Und man erkennt sie, weil sie einfach sind, selbsterklärend. Weil sie ihre Komplexität und Schönheit im Zusammenspiel mit den anderen Dingen entwickeln. Der Computer nimmt das Zusammenführen vor. Er ist nicht der Baumeister selbst. Manchmal ist es besser, wenn Teile nicht so perfekt passen.

Die Perfektion der Maschine ist vollkommen uninteressant. Sie ist fürchterlich.

Ja sogar angsteinflößend.

Professor Christian Heuchel und Van Heuchel mit Birgit Franke I Köln, im August 2021

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