bitte, bitte lass‘ mich rein!

Der Doorman, der Türsteher, der Concierge – sie alle haben es in der Hand. Sie entscheiden, ob sie öffnen oder nicht. Und der metallene Griff ist der handfeste Zeuge dieser alltäglichen Situation. Stolz wird er festgeschraubt an der Tür, bis in alle Ewigkeit. Der Übertritt wird als Handlung erkennbar und auch zum Geheimnis: Das Hochzeitspaar, das sich positiv verändert; der Patient, der geheilt und beschwingt aus der Praxis schwebt; der Schüler, der sich schweren Herzens in die Schule quält. Sie hebeln mit diesem kleinen Werkzeug unbewusst ihre Welt aus den Angeln. Mal schwer, mal modern, mal beschwingt, mal edel, mal unscheinbar und tausendmal mit der Hand gestreichelt und poliert. Der Sakralbau, die Kirchen und die Rathäuser die von Symbolen nur so strotzen – alles unterstützt durch mächtige Türgriffe. Sind es schon heute Artefakte einer vergangenen Welt? Als Klassiker erinnern sie an alte Gesellschaftsformen. Sie geben als historische Vorbilder Halt im kommenden Durcheinander.

Allein der Wunsch öffnet die Tür

Zschschsch … die Tür öffnet sich ohne Berührung, kontaktlos ins neue Jahrtausend. Die Ansprache an den Türöffner geschieht auf Zuruf. Wir sind es bereits gewohnt, aus dem Halse heraus unsere Handlungen zu befehlen. Sie heißen kleine Helferlein oder Verkörpern die Allmacht der kleinen Dinge – die künstliche Intelligenz KI übernimmt endlich die Steuerung; ob man will oder nicht. Was früher in jedem Science-Fiction-Film zur Gewohnheit wurde und dem Außerirdischen den Zugang verwehrt, ist heute beim Einstieg über Knopfdruck erlebbar. Der Akt des Einstiegs wird nicht mehr wesentlich. Das Tor oder Fenster in ein anderes Universum ist fließend. Der Körper wird gebeamt, ohne Berührung, ohne Anstrengung. Keine schwere Tür, die mit Hilfe eines Griffes geöffnet werden musste. Keine Abfolge von Schließern, die überwunden werden müssen. Allein der Wunsch öffnet die Tür. Über einen sprechendes und sehendes Codesystem. Keine Chance beim charmanten Überreden des Türstehers.
Ein „BITTE, BITTE LASS MICH REIN!“, verhallt im Off.

Der Daumen verliert seinen Halt

Vorbei die Zeiten, wo ein Haus bereits über seine Details seinen Eingang zu uns sprach. Vorbei der Moment des Öffnens, der inszeniert wurde. Vorbei die Zeiten in denen man sich, bevor man den schweren Türgriff betätigt, kurz noch still räuspert und das lichte Haar richtet. Man trägt das Öffnen nun unsichtbar in sich. Auf die Haut tätowiert ist man berechtigt oder eben nicht. Das Auge, der Daumen und die Sprache – das sind unsere neuen Türöffner.

Gespannt schaut man auf das, was uns in Zukunft begegnen wird. Wie sehen diese Türgriffe aus, die nicht mehr begriffen werden, die so stark reduziert sind, dass sie verschwinden, in der Wand, in der Tür, am Fenster? Die Hand mag den Griff ins Leere nicht. Greifvolumen, Handschmeichler in Eiform verschwinden. Der Daumen verliert seinen Halt. Er wird zum Streichen über das Display gebraucht.

Hier wird sich etwas verändern, in der Welt der architektonischen Symbole. Ersetzt durch eine neue Leitidee. Diese gilt es zu gestalten im Glauben an die Allmacht der künstlichen Intelligenz. Und wehe man hat seinen Schlüssel vergessen.

Professor Christian Heuchel und Van Heuchel I Köln, im November 2021

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